Fernsprecher - Bauteile: Übertrager

Der Übertrager ist wohl das erstaunlichste Bauteil in den Fernsprechern der Reichspost. In fast 100 Jahren ist dieses Bauteil unverändert gebaut worden. Der Übertrager im OB07 (1907) ist absolut baugleich dem des W48, der ja bis heute weiter produziert wird.

Übertrager im W19 Wand Bj. 1921
Übertrager im W28 Wand Bj. 1929
Übertrager im W48 Bj. 1967

Aufbau und Funktion:

Der Übertrager hat zwei Hauptaufgaben: Er entkoppelt galvanisch die Hörkapsel und verhindert das Mithören der eigenen Sprache. Ohne Übertrager würde ständig eine Gleichspannung an der Hörkapsel anliegen, welche dadurch leise und dumpf würde. Auch könnte man durch Knackgeräusche beim Wählen und Gabel-Niederdrücken das Gehör schädigen. Die Mithördämpfung hat die Funktion, das eigene Gesprochene nur für die Gegenseite hörbar zu machen und am eigenen Apparat auszublenden. Ohne diese Funktion würde einen der andere Teilnehmer nur leise verstehen und man selbst würde sich lauter hören, als den Gesprächspartner, was sicher irritiert.

Der Übertrager ist im Prinzip ein Trafo mit vier Wicklungen. Eine Blindwicklung dient als kostengünstiger induktionsfreier Widerstand und ahmt die Eigenschaften der Telefonleitung nach. Die anderen drei Wicklungen sind der eigentliche Übertrager. An einer Wicklung (Sekundärwicklung) ist der Hörer angeschlossen. Die anderen beiden Wicklungen (Primärwicklungen) sind in Reihe zur Amtsleitung geschaltet. Nur das Mikrofon ist mittig zwischen beiden Wicklungen angeschlossen. Die vom Mikrofon erzeugte Sprechwechselspannung fließt durch beide Wicklungen gleichzeitig - jedoch in entgegengesetzter Richtung. Das von beiden Wicklungen so erzeugte Magnetfeld hebt sich somit gegenseitig auf und verhindert das Mithören im eigenen Hörer. Die vom Amt kommende Sprechwechselspannung (des Gesprächspartners) hingegen passiert die beiden primären Wicklungen des Übertragers in Reihe (also in identischer Richtung), wodurch ein doppelt starkes Magnetfeld nun in die sekundäre Wicklung induziert wird und somit den Gesprächspartner laut im Hörer wiedergibt.
Kurz und bündig: Plus + Plus = doppelt Plus (laut); Plus + Minus = Null (nichts zu hören).

M = Mikrofon
F = (Fern)-Hörer
W = Widerstand
gestrichelt = Leitung zum Amt
Die Pfeile stellen die Richtung des Stromflusses dar.

Die Wellenlinien stellen die Wicklungen des Übertragers dar.

Im grauen Quadrat ist zu erkennen, dass der "rote" Stromkreis des Mikrofons die beiden primären Wicklungen des Übertragers in unterschiedlichen Richtungen durchfließt. Der "blaue" Stromkreis vom Fernsprechamt hingegen passiert beide Wicklungen in gleicher Richtung. Um das Mithören effektiv zu verhindern, muss der Widerstand die elektro-physikalischen Eigenschaften der Leitung zum Amt möglichst exakt nachbilden. Man nenn ihn daher auch Nachbildung. Die ersten Ausführungen des W38 und einige späte 48er hatten einen zusätzlichen Kondensator parallel zum Widerstand, um auch die kapazitiven Eigenschaften der Leitung nachbilden zu können. Im W38 bis 1940 war er sogar schaltbar gestaltet, um eine individuelle Anpassung an die Leitung zu ermöglichen. War man an eine Freileitung angeschlossen, konnte man ihn entfernen - für Fernsprechanschlüsse an Erdkabeln klemmte man ihn hingegen an. Der richtige Wert des Widerstandes hängt von der Leitungslänge und vom Kabelquerschnitt ab. Da beides jedoch an jedem Anschluß unterschiedlich ist, wählte man hierfür einen Mittelwert (200 bis 600 Ohm).


Copyright: Matthias Maetsch, Berlin