Als am 14. Februar des Jahres 1876 beim amerikanischen Patentamt Alexander Graham Bell ein Patent für ein Telefon einreichte, war den bearbeitenden Beamten sicher nicht bewusst, dass sie eine der revolutionärsten Erfindungen der damaligen Zeit in der Hand hielten. Die Bedeutung dieser Erfindung ist bis zum heutigen Tage von Jahr zu Jahr gestiegen und bleibt wohl unumstritten, nicht jedoch die Rechtmäßigkeit der Patenterteilung.
Bereits am 26. Oktober 1861, also schon 15 Jahre früher, stellte der deutsche Lehrer Philipp Reis den Mitgliedern des »Physikalischen Vereins zu Frankfurt am Main« seine Erfindung vor: das Telefon. Der dabei ins Telefon gesprochene Satz lautete »Das Pferd frisst keinen Gurkensalat« und wurde am anderen Ende der Leitung kaum verstanden. Der vorgeführte Apparat war in der Lage, Töne in elektrischen Strom zu wandeln und an einem anderen Ort als Schall wiederzugeben. Noch nicht recht geeignet war er jedoch, um die menschliche Sprache verständlich zu übertragen. Weder Reis noch seine Zeitgenossen erkannten die revolutionären Möglichkeiten dieser Erfindung rechtzeitig. Zu Lebzeiten war Reis nicht mehr in der Lage, seine Erfindung einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Reis verstarb am 14. Januar 1874, nur wenige Tage nach seinem 40. Geburtstag, ohne dass seine Erfindung angemessen gewürdigt wurde.
Als zwei Jahre nach dem Tod von Reis der Amerikaner Bell sein Patent für ein verbessertes Telefon einreichte, war die Reis´sche Erfindung weithin unbekannt. Die Erteilung des Patents wäre wohl nicht erfolgt, wenn der zuständige Patentbeamte den Bell´schen Apparat nur als Verbesserung des »Standes der Technik« eingestuft hätte, denn bereits existierende Technologien können eigentlich nicht patentiert werden. Das Telefon selbst wäre also eigentlich nicht patentierbar gewesen, die einzelnen Verbesserungen jedoch schon. Auch basierte das vorgeführte Telefon teilweise auf Bauteile, die nicht von Bell selbst stammten. So war das Mikrophon eigentlich das Werk von Elisha Gray, der nur zwei Stunden nach Bell beim Patentamt in Chicago erschien und dadurch kein Patent erhielt. Zu Unrecht wurde Bell das Patent erteilt und er selbst feierte sich als »Erfinder des Telefons«, obwohl er genau um die Leistung von Reis und Grey wusste. In seiner neu gegründeten »Bell Company« entwickelte er das Telefon bis zur Serienreife und produzierte in seiner wirtschaftlich erfolgreichen Firma viele Millionen Apparate. Aus der »Bell Company« wurde später mit dem »AT&T-Konzern« eine der weltweit größten Telefonfirmen. Mit der amerikanischen Liberalisierung des Telefonmarktes im Jahre 1984 wurde »AT&T« in acht kleinere Unternehmen aufgeteilt. Nur eines behielt den Original-Namen.
Alexander Graham Bell war nicht der Erfinder des Telefons - er erkannte jedoch als Erster dessen wirtschaftliche Bedeutung als Kommunikationsmittel für Sprache. Neuesten Erkenntnissen zufolge könnte sogar der nach Amerika ausgewanderte Italiener Antonio Meucci der Erfinder sein. Er soll bereits ein Jahr vor Reis in einem Zeitungsartikel sein Telefon vorgestellt haben. 1877 wollten die US-Behörden in einem Betrugsverfahren Bell das Telefon-Patent aberkennen. Da Meucci jedoch verstarb, legte man das Verfahren schließlich nieder.
In Deutschland hatte Bell keinen Patentschutz. Hier produzierte der Ingenieur Werner von Siemens ab 1877 in seiner bisher durch den Telegraphenbau bekannten Firma »Siemens & Halske« Telefone. Die Firma Siemens wurde in den folgenden Jahrzehnten einer der größten Telekommunikations-Konzerne der Welt. Für das Grab seines Gründers, Werner von Siemens, (auf dem Stahnsdorfer Friedhof an Berlins südlicher Stadtgrenze) scheint der Weltkonzern heute jedoch keinen Cent übrig zu haben. Ein Besuch lohnt trotzdem, ist der Stahnsdorfer Friedhof, der über 40 Jahre im Dornröschenschlaf im Grenzgebiet lag, heute noch einer der schönsten Friedhöfe Deutschlands. An Philipp Reis erinnert ein Museum in seiner Heimatstadt Gelnhausen.
Autor: Matthias
Maetsch, Berlin
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